Sanierung Pipparthaus

  • Aus dem Rathaus

Denkmalpflegerische Untersuchung

1. Einleitung

Die Untersuchung des sog. Pipparthauses fand im März/ April 2018 im Vorfeld einer geplanten Instandsetzung statt. Es ist in der Denkmalliste mit „Wohnhaus, zweigeschossiger Walmdachbau mit Fachwerk, 18. Jh.; zugehörig Rest der ehem. Stadtmauer, 14./ 15. Jh.“ Beschrieben. Seit 1931 befand sich im Erdgeschoss des Vorderhauses die Schuhhandlung Pippart, wie heute noch der Schriftzug an der Fassade, vermutlich aus den 1960er Jahren, belegt.

Ziel der Untersuchung war die Ermittlung des historischen bzw. denkmalpflegerisch relevanten Bestandes und der Baugeschichte. Parallel wurde das Anwesen verformungsgenau aufgemessen und die Hauptbauphasen dendrochronologisch datiert.

Die Ergebnisse werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt und durch die Baualterspläne veranschaulicht. Details sind den Befundprotokollen sowie der ausführlichen Fotodokumentation zu entnehmen.

2. Zusammenfassung Baugeschichte

Die älteste Darstellung auf dem Stadtgrundriss von 1792 (Abb. 1) zeigt den zu dieser Zeit bereits überholten Vorgängerzustand mit einer Bebauung innerhalb der Stadtmauer im Bereich des Vorderhauses. Dieses ältere Gebäude datiert 1721 und war wahrscheinlich nur eingeschossig. Bereits 1743 entstand die Erweiterung nach Norden sowie die Überbauung des älteren Vorderhauses mit einem Walmdach zur Straße hin. Diese Bebauung ist durch den Ortsplan von 1843 dokumentiert (Abb. 2). Das Sal- und Lagerbuch von 1792 beschreibt das damalige Haus-Nr. 15 mit „Gabriel Glock, Bader, 2 stöck. Haus und Nebengebäude, Kastenlehen“. Im Haus-Steuer-Kataster der Stadt Scheßlitz von 1831 ist als Besitzer der damaligen Haus Nr. 23 Johann Georg Krieg, Oeknom, genannt. Die außerhalb der Stadtmauer gelegene Bebauung mit der Haus Nr. 90 gehörte noch nicht zum Anwesen, sondern war im Besitz der Stadtgemeinde, die dort zwei Malzdörren betrieb. Die Erweiterung des Gebäudes in seine heutige Form, über die Stadtmauer hinweg, entstand erst mit der Übernahme des Anwesens durch die Familie Pippart nach 1931. Mehrere historische Fotografien belegen den Zustand vorher, sowie nach der Erweiterung wohl in den 1930er/ 40er Jahren.

2.1 Bauphase 1

Das vermutlich eingeschossige, giebelständige Fachwerkhaus von 1721 ist im Wesentlichen nur noch durch die Deckenbalkenlage im vorderen Bereich des Erdgeschosses belegt. Die Decke ist als Schlierendecke ausgebildet. Derzeit gibt es keine weiteren Erkenntnisse zu diesem Gebäude, was Nutzung oder Grundriss angeht

2.2 Bauphase 2

Die Errichtung des Rückgebäudes sowie die Überbauung des älteren Vorderhauses unter einem Dach erfolgte 1743. Vermutlich wurde zunächst das Rückgebäude aufgerichtet – hier verlaufen die Abbundzeichen im Dach regelmäßig von Süd nach Nord –dann das Vorderhaus aufgestockt und mit einem Walm zur Straße hin versehen. Ein regelmäßiger Verlauf von Abbundzeichen kann hier nicht festgestellt werden. 8 Hinzu kommen zahlreiche zweitverwendete Hölzer im gesamten Dachwerk, wie beispielsweise die Probe Nr. 9 zeigt. Sie datiert auf 1721(d), belegt jedoch die bauzeitliche Abschleppung über der Stadtmauer zur 2. Bauphase. D.h. zur Straße hin wurde die Stadtmauer bis auf Höhe des 1. Obergeschosses abgetragen, um hier ein symmetrisches Walmdach zu erhalten. Im rückwärtigen Bereich wurde die Stadtmauer belassen und durch die Abschleppung überfangen. Während das ursprüngliche Gebäude keinen Keller besaß, wurde die Erweiterung über einem tonnengewölbten Keller errichtet. Die Erschließung erfolgte wie heute von der Westseite aus, im Bereich des älteren Teils. Zur Straße hin dürfte sich eine vermutlich beheizte Stube über die gesamte Breite des Gebäudes befunden haben. 9 Die Treppe ins Obergeschoss befindet sich auch heute noch an ihrer ursprünglichen Stelle, ebenso der Zugang zum Dachgeschoss. Im rückwärtigen Hausteil befanden sich pro Geschoss zwei weitere Räume, die erst nachträglich beheizbar gemacht wurden. Ein schmaler Flur entlang der Stadtmauer dient deren Erschließung. Nach Süden folgen im Obergeschoss zwei die gesamte Hausbreite einnehmende Räume, wobei Raum 103 als Stube anzusprechen ist. Der ältere Kaminverlauf ist in der Ecke vor der Stadtmauer, zu Raum 102 hin nachgewiesen. Von dem in Fachwerkbauweise errichteten Gebäude – die Binnenwände durchwegs mit Lehmausfachung, die Decken als Schlierendecken ausgebildet –ist im Erdgeschoss, abgesehen von den Schlierendecken, nur noch eine Fachwerkwand entlang des Treppenaufganges vorhanden. Im Obergeschoss ist die ursprüngliche Raumanordnung erhalten.

2.3 Bauphase 3

Eine erste Versteinerung im Erdgeschossbereich des vorderen Gebäudeabschnitts kann anhand der Befunde in das späte 18./ frühe 19. Jahrhundert eingeordnet werden. Vermutlich entstand gleichzeitig die Abtrennung zu Raum 002 (vgl. Bauphasenplan EG). Die Außenwände wurden in Backsteinmauerwerk errichtet, die Binnengliederung besteht aus Fachwerk mit Backsteinausfachung.

2.4 Bauphase 4

Teile des Erdgeschosses im Bereich der ehem. Malzdörre außerhalb der Stadtmauer dürften noch auf diese Bebauung aus der Zeit vor 1843 zurück gehen. Darauf deuten zwei sandsteinerne Fenstergewände sowie eine zugesetzte Öffnung an der Rückfassade dieses Gebäudeteils, wenn auch weitere Befunde im Inneren hierzu fehlen. Der Versprung in der östlichen Außenwand geht auf diese ältere Bebauung bzw. das hier anschließende Nachbargebäude zurück und setzt sich bis ins Dach fort.

2.5 Bauphase 5 und 6

Die Versteinerung im Erdgeschoss des rückwärtigen Hausteils fand im späten 19. Jahrhundert statt. Die Außenwände sowie auch die Binnengliederung zu Raum 007 wurde in Backsteinmauerwerk ersetzt. Gleichzeitig wurden die verbliebenen Fachwerkwände in den rückwärtigen Räumen mit Brettern verkleidet und über einer Rohmattenarmierung neu verputzt. Um 1900, eventuell mit der Errichtung der Holzlege 1906, wurde am Ende des obergeschossigen Flures eine Toilette eingerichtet. Etwa zur gleichen Zeit dürfte die Kammer im 1. Dachgeschoss entstanden sein. Sie wurde mit einfachen hölzernen, innen verputzten Trennwänden vom Dachraum abgeteilt.

2.6 Bauphase 7

Wesentliche Veränderungen erfuhr das Gebäude ab den 1930er/ 40er Jahren, sowie zuletzt in den 1960er Jahren. Wie bereits oben erwähnt, erfolgte erst jetzt die Überbauung in seiner heutigen Form außerhalb der Stadtmauer. Gleichzeitig wurde die Stadtmauer im vorderen Bereich des Erdgeschosses entfernt, um einen großzügigen Ladenraum zu erhalten. Der Einbau des südlichen Kamins in die Stadtmauer ist inschriftlich auf 1960 datiert. Die Außenwände im vorderen Teil des Obergeschosses dürften gleichzeitig entstanden sein und die im 19. Jahrhundert nur verputzten Fachwerkwände dort ersetzt haben. Weitere Veränderungen erfolgten im rückwärtigen Erdgeschossbereich mit dem Einbau des Heizraumes.

3. Zusammenfassung Befund

Für die 1. Bauphase ist eine fachwerksichtige Gestaltung im Bereich der Deckenbalkenlage über Raum 003 belegt. Auf der Schlierendecke konnten mindestens zwei graue Fachwerkabfassungen, jeweils mit schwarzem Begleiter zu gebrochen weißem Deckengefach nachgewiesen werden. Die Fassungen laufen über der später versteinerten Außenwand durch. Für den Wandbereich fehlen entsprechende Befunde. Eine Fachwerksichtigkeit mit farbiger Betonung der Fachwerkhölzer gegenüber den Gefachen hat es zur 2. Bauphase nicht mehr gegeben. Zwar blieben die Fachwerkhölzer zunächst unverputzt, wurden jedoch im Wandton mit gestrichen. Am Treppenaufgang zum Dachgeschoss konnte eine graue Sockelabfassung mit schwarzem Begleiter zur gebrochen weißen Wand nachgewiesen werden. Auch später wird diese Gestaltung beibehalten, wie die Befunde in Raum 003 belegen. Hier wurden auch entsprechende Tür- und Fensterabfassungen nachgewiesen, die wohl noch in das späte 18. Jahrhundert bzw. die Zeit um 1800 datieren. Im späten 19. Jahrhhundert wurden die Fachwerkwände weitgehend überputzt, teilweise über einer Bretterverkleidung mit Rohrmattenarmierung. Kennzeichnend für diese Zeit sind die typischen farbenfrohen Schablonierungen der Wandflächen mit Abschlussbordüren und Bänderungen zur Decke hin sowie farbig abgesetzter Sockelzone. In der erdgeschossigen Stube wurden auch entsprechende Bänderungen in den Fensterlaibungen nachgewiesen.

4. Schlussbemerkung

Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren zahlreiche Wände und Decken mit den unterschiedlichsten modernen Materialien abgehängt und vorgeblendet. Es ist daher mit weiteren Erkenntnissen zu bislang offenen Fragen zu rechnen, wenn im Rahmen der Baumaßnahmen die Verkleidungen rückgebaut werden. Eine baubegleitende Dokumentation hierbei zutage tretender Befunde ist wünschenswert.

Foto: Stadt Scheßlitz
Foto: Stadt Scheßlitz
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